Screening-Kommission



Screening-Kommission

Jahresbericht 2023

Der Screeningkommission gehören aktuell an: Dr. Oliver Blankenstein (Berlin), Prof. Dr. Orsolya Genzel-Boroviczény (München), Prof. Dr. Christoph Härtel (Würzburg), Prof. Dr. Georg F. Hoffmann (Sprecher) (Heidelberg), Dr. Burkhard Lawrenz (Arnsberg), Dr. Uta Nennstiel (Dachau), Prof. Dr. Rainer Rossi (Berlin), Prof. Dr. Ulrike Schara-Schmidt (Essen), PD Dr. Olaf Sommerburg (Heidelberg), PD Dr. Carsten Speckmann (Freiburg).

Im Berichtszeitraum 2023 hat die Kommission Beratungen zur organisatorischen Weiterentwicklung des gesamten Prozesses des „Blutscreenings“ wie auch des Hörscreenings durchgeführt sowie ihre Arbeiten zur Begleitung der „neuen“ Zielkrankheiten des Erweiterten Neugeborenenscreenings (Angeborene Immundefekte, Spinale Muskelatrophie), des Hörscreenings sowie der aktuellen Evaluation eines möglichen zukünftigen Screenings auf Vitamin B12-Mangel und weitere Zielerkrankungen (Homocystinurie, Propionazidämie und Methylmalonazidurie) intensiv fortgesetzt.

Bis 2016 wurden die Neugeborenen auf 10 Stoffwechselkrankheiten und 2 Hormonstörungen gescreent. Mittlerweile wird das Blut mit zunehmender Komplexität auf derzeit 17 Zielkrankheiten untersucht und Defizite insbesondere in den Bereichen Prozesskoordination, Dokumentation, Evaluation und Qualitätssicherung gesehen. Das Potenzial digitaler Datenaustauschsysteme zur Erleichterung, Beschleunigung und Sicherung des Screening-Prozesses wird noch wenig genutzt. Dafür erscheinen uns die Einführung und Umsetzung folgender Schritte notwendig:

1)           Strukturierung des gesamten Screeningprozesses als integriertes Public-Health-Programm. Dieses soll alle Prozessschritte von der Aufklärung bis zur Therapieeinleitung sowie eine bundeseinheitliche Organisation, ein zentrales Qualitätsmanagement und eine Evaluation umfassen. Die Einführung einer eindeutigen Screening-ID in Deutschland sowie die Etablierung eines nationalen Screeningregisters wären zentrale Instrumente. Mit Hilfe der Meldung von Kindern mit falsch-negativen Screeningbefunden im Screeningregister würden Strategien entwickelt werden können, die Screeninganalytik und -prozesse fortwährend zu optimieren.

2)           Erlaubnis, dass ein hochgradiger Krankheitsverdacht den Eltern primär durch pädiatrische Experten für die jeweilige Krankheit mitgeteilt wird.

3)           Verpflichtung zur Rückmeldung der Ergebnisse der Konfirmationsdiagnostik an das Screeninglabor durch die behandelnden Ärzte.

4)           Ein verpflichtendes Tracking auf Vollständigkeit aller wiederholungs- und abklärungsbedürftigen Screeningbefunde mit klar definierten Verantwortlichkeiten und einer angemessenen Finanzierung. Bei 10 % der Kinder mit auffälligem Screeningbefund und bei 20 % der Kinder mit sehr früher Blutabnahme und 20 % der kleinen Frühgeborenen ist unklar, ob die notwendigen Kontrolluntersuchungen stattgefunden haben.

5)           Aufnahme von Regelungen zur Dokumentation, Evaluation und Qualitätssicherung inkl. der Konsequenzen bei Qualitätsmängeln in die Kinder-Richtlinie.

Diese Schwachstellen und Verbesserungsmöglichkeiten des Screening-Prozesses wurden im Rahmen eines inzwischen publizierten Forschungsprojektes im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes identifiziert und die entsprechenden Lösungsvorschläge erarbeitet.

Das Screening auf angeborene Immundefekte (severe combined immunodeficiency, SCID) wurde im August 2019 eingeführt, hat sich inzwischen gut eingespielt und läuft sehr erfolgreich. Das Einführung des Screenings hat die medizinischen Konstellationen komplett verändert. Es konnten viel mehr Kinder mit Zielerkrankungen identifiziert werden als zunächst erwartet. Die Inzidenz beträgt ca. 1:50.000. Die betroffenen Kinder werden früh erkannt und lückenlos erfasst. Notwendige weitere Verbesserungen sind ein offiziell strukturiertes Tracking sowie eine langfristig geregelte Nachverfolgung durch kompetente Kolleginnen und Kollegen von Beginn an.

Auch das Screening auf SMA, eingeführt am 01.10.2021, läuft inzwischen gut. Die zu behandelnden Kinder werden an 15 Zentren vermittelt und dort behandelt und betreut. Ca. 5 % der Befunde sind falsch negativ (mit Screening-Methode nicht erfassbar). Die Therapie mit Spinraza erwies sich in der Regel als gut verträglich, allerdings gibt es in Einzelfällen schwere Nebenwirkungen. Eine Aussage, dass die Therapie sicher ist, ist zurzeit nicht möglich.

Im Hörscreening ist eine größere Schwachstelle unverändert die unterschiedlichen Arbeitsmöglichkeiten der Tracking-Zentralen bis hin zum Fehlen eines strukturierten Trackings in einzelnen Bundesländern. Aktuell wird das Screening mit TEOAE oder AABR für beide Ohren empfohlen. Wenn ein Ohr auffällig ist, wird ein Kontroll-AABR für beide Ohren empfohlen. Da viele medizinische Einrichtungen nicht über beide Messeinrichtungen verfügen, wird diese Reihenfolge oft nicht eingehalten und/oder das Zweitscreening unterbleibt sogar teilweise. Die Zielkriterien, dass mind. 95 % der Neugeborenen einer Einrichtung gescreent werden, mind. 95 % der Kinder mit auffälligem Erstscreening ein Rescreening erhalten und bis zur 12. Lebenswoche eine pädaudiologische Konformitätsdiagnostik erfolgt, wird bundesweit nicht erreicht. Zur Verbesserung der Prozessqualität wird empfohlen, für das Rescreening immer die gleiche Methode wie für das Erst- screening einzusetzen.

Prof. Dr. med. G. F. Hoffmann, Sprecher

 

Screening-Kommission

Sprecher:
Prof. Dr. Georg F. Hoffmann (Heidelberg)

Mitglieder:
Dr. Oliver Blankenstein (Berlin)
Prof. Dr. Orsolya Genzel-Boroviczény (München)
Prof. Dr. Christoph Härtel (Würzburg)
Dr. Burkhard Lawrenz (Arnsberg)
Dr. Uta Nennstiel (Dachau)
Prof. Dr. Rainer Rossi (Berlin)
Prof. Dr. Ulrike Schara (Essen)
PD Dr. Olaf Sommerburg (Heidelberg)
PD Dr. Carsten Speckmann (Freiburg)